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MEIN UMZUGSRITUAL

 

Vor etwa einem halben Jahr sind wir übersiedelt. Aus einem wunderbaren Haus mit noch wunderbarerem Garten. Aus einem Haus, in dem viel Trauriges passiert ist. Davor war es mein liebster Rückzugsort. Ich hatte sogar ein Schild gekauft, auf dem groß Mein Lieblingsort stand. 

Doch seit der Nacht 2016, an dem unsere 2. Tochter mit Notarzteinsatz ins Krankhaus gebracht wurde, hatte sich alles verändert. Seit ich sie allein auf der Herzstation zurücklassen musste und mit einem leeren Maxi-Cosi um 5 Uhr morgens in der Dunkelheit die Auffahrt zu unserem damaligen Haus heimkehrte, war alles anders. Als wüsste ich schon damals, dass das nur ein kleiner Einblick in das Gefühl war, das uns bevorstand.

 

Dreieinhalb Jahre nach ihrem Tod war ich mehr als bereits zu übersiedeln. Das Zusammenpacken war sehr therapeutisch wirksam. Was kommt mit? Wovon trenne ich mich endgültig?

 

Irgendwann war das Haus leer. Ich kehrte noch einmal zurück, bevor wir den Schlüssel abgaben. Ich hatte das Gefühl, mich noch richtig verabschieden zu wollen. Ich wollte mich entspannt lösen. Ich wollte nichts mitnehmen, was nur mehr meiner Vergangenheit angehörte. 

 

Ich wollte ein Abschiedsritual für mich machen.

 

Wie das oft bei meinen Ritualen ist, weiß ich anfangs noch nicht, wie ich diese machen werde. Am Anfang steht der Entschluss. Dann kommen die Ideen.

 

Für dieses Ritual reichten Post-Its und Feuer. Ich begann auf Post-Its zu schreiben, was ich hierlassen wollte. Welche Erinnerungen und Gefühle mich nicht mehr belasten sollten. Diese klebte ich auf eine Fensterscheibe.

Dann kamen noch Gefühle der Dankbarkeit hinzu. Wofür war ich zutiefst dankbar? Welche wunderbaren Momente hatte ich hier erleben dürfen? Dann blickte ich auf die Masse an gelben Zettelchen.

 

Wow!

 

Ich war überrascht, wie viel Wundervolles ich hier auch erlebt hatte. Meine Trauer hatte das leider in den Hintergrund treten lassen. Es war wundervoll nochmals in den schönen Gedanken zu schwelgen.

 

Dann verbrannte ich alle Zettel, mit dem Gedanken mich frei für neue Erfahrungen zu machen. Ich sah dem brennenden Papier zu. In Dankbarkeit für all das Schöne und Dankbarkeit für die Erfahrungen, die mich immer mehr zu der werden lassen, die ich tiefsten Inneren bin. Natürlich kam auch die Traurigkeit wieder. Dann die Freude. Und dann war ich bereit voll Freude unser neues Haus zu unserem Heim zu machen.

 

Rituale sind seit Jahren Teil meines Lebens. Ob in der Natur, am Wasser, mit Feuer, räuchern, im Regen oder Sturm. Sie helfen mir.

 

Von Herzen,

Sigrid 

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