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Zu viel

Manchmal ist alles zu viel.

Wenn ich morgens aufstehe und schon die Stunden zähle, bis ich wieder ins Bett darf.

Wenn ich morgens nicht weiß, wie ich den Tag überstehen soll und doch weiß, dass ich es irgendwie werde.

Wenn gefühlt jede Zelle in meinem Körper sich nach Ruhe sehnt und schmerzt.

 

Auch wenn der Tag okay war, sobald ich wach war.

Es war zu viel.

Zu viel im Außen.

Zu viel funktionieren und zu wenig leben.

Zu wenig Lebendigkeit leben.

Zu wenig JA, ich will.

Leben.

Wirken.

Sein.

Mich einbringen.

 

Da ist diese Zeit im Leben, in der du einfach tust, was getan werden muss. Dich in Geduld üben musst. Dein Ich hinten ansteht. Wenn du nur einen kleinen Schritt nach dem anderen tun kannst. Weil mehr nicht drin ist. 

Für mich war es sehr heilsam, mir ganz ehrlich einzugestehen, dass es gerade so ist. Punkt.

 

Alles.

Ist.

Gerade.

Zu.

Viel.

 

Diesen Gedanken zulassen. Aufhören, dir zu sagen, dass es nur eine Phase ist. Dass es sich von allein ändern wird. 

Vielleicht ist es eine Phase, wenn es einige Wochen so geht. Vielleicht auch einige Monate. Doch wenn sich dieses nagende Gefühl in die ausbreitet: Kann das alles im Leben gewesen sein? Dann ist die mutigste und liebevollste Handlung ehrlich hinzusehen. Ehrlich zu sagen: so will ich nicht weiter. So ist alles zu viel.

 

Ehrlichkeit gibt mir Bodenhaftung. Erdung. Denn ich weiß, dass ich nur durch das Ankommen am Grund, die Festigkeit unter mir bekomme, um einen Schritt nach dem anderen zu tun. Um irgendwann wieder die Kraft zu haben, um mich vom Boden abzustoßen, um zu neuen Höhenflügen anzusetzen.

 

Manchmal ist alles zu viel. Sehr oft warten wir, bis sich die Erschöpfung, das Funktionieren, das Über-unsere-Grenze-gehen sich im Körper zeigt. Vermehrt krank sein. Dich kaum richtig gesund fühlen. Unsere Schwachstellen im Körper zeigen sich dann meistens als Erste. Der Magen. Die Verdauung. Die Nebenhöhlen. Der unregelmäßige, schmerzhafte Zyklus. Massive PMS. Bei jedem Menschen ist es etwas anderes.

Wenn du das Gefühl hast, dass du immer wieder gleiche Beschwerden hast, nimm das wahr. Sei nicht genervt oder böse mit deinem Körper. Bei einem Auto wundern wir uns ja auch nicht, dass es eingeht, wenn wir permanenten den Motor überhitzen. 

Mein Körper zeigt mir, wenn ich übersehe, dass etwas zuviel ist. Sehr oft kann ich leider nicht gleich reagieren. Ich kann die Gewohnheiten und Umstände nicht gleich ändern, die sich über Monate oder gar Jahre in meinem Leben ausgebildet haben.

 

Doch ich kann beginnen kleine neue gesunde Gewohnheiten auszubilden. Immer mit der Frage: Tut mir das auf lange Sicht gut? Ja, es ist anfangs mühsam früher aufzustehen, um in Ruhe zu frühstücken oder laufen zu gehen. Ja, es ist anfangs mehr Aufwand täglich frisch zu kochen statt Fastfood oder auch Tiefkühlkost zu erwärmen. Ja, es wird auf Gegenwind stoßen, wenn du mehr Zeit und Raum für dich in deiner Familie einforderst, weil dann auch die Menschen um dich aufgefordert sind, etwas anders zu machen. 

 

Wenn bei mir eine Veränderung ansteht, frage ich mich immer: wie will ich sein? Auf welches Leben will ich in einem Jahr oder in 10 Jahren zurückblicken? Was will ich tun, damit ich später mit einem zufriedenen Lächeln zurückblicken kann und sagen: Yeah, gut gemacht. Es war zwar nicht einfach, aber ich habe es hinbekommen. Ich habe mein Leben geformt. Auf meine Bedürfnisse geachtet. Ich habe mich wichtig genommen.

Und mein absoluter Supermotor der Veränderungsfrage ist: lebe ich meiner Tochter vor, wie es geht, aktiv zu leben?

Lebe ich ihr vor, dass es möglich ist, trotz aller Gegebenheiten und Rückschläge, lebendig zu leben?

Der Blick durch die Augen unserer Kinder kann uns schonungslos ehrlich alle dunklen Flecken beleuchten. Und daran erinnern, welche Träume und welchen Tatendrang wir selbst als junger Mensch hatten. Bevor uns gesagt wurde, wie die Erwachsenen damals glaubten, dass Leben sein soll.

 

Mein Heraus aus dem Zuviel hat bedeutet, dass ich mir eingestehen musste, dass ich als Alleinerziehende meiner Tochter plus unserem Hund nicht gerecht werden konnte. Ich gestand mir ein, dass sie meine Lebensumstände geändert hatten. Ich gestand mir zu, dass es mir zu viel war. Und fragte mich: was muss ich ändern? Was muss ich weglassen? Loslassen. Auch wenn es schmerzhaft war. Da war diese leise Stimme in mir, die wusste, was der nächste Schritt war. Ich musste sie nur zulassen. Sie hören wollen. Und je ruhiger es im Außen wurde, desto klarer wurde das Innen. Ich konnte wieder besser auf mich hören. Klarer auf mein Leben blicken. Grenzen spüren und diese auch aufzeigen. 

 

Wenn das Zuviel weg ist, zeigt sich das Wenige, das wirklich wichtig ist. Auch wenn ich anfangs nicht wusste, welche kommenden Schritte es bedeutete, blieb ich am GEFÜHL, dass ich in meinem Leben wieder erwecken wollte:

Morgens aufwachen und mich auf den Tag freuen.

Die kleinen und größeren Aufgaben des Lebens als Leben sehen.

Diese lebendig erfüllen. Mit Seele.

Und abends zufrieden einschlafen. In Dankbarkeit für den Tag.

Mit Vorfreude auf morgen.

 

Wie willst du dich fühlen in deinem Leben? Beschenkt. Zufrieden. Lebenslustig. Neugierig. Mutig. Wach.

Lass weg, was dich davon abhält. Sehr oft brauchen wir nicht mehr. Wir brauchen eigentlich nicht so viel. Nur brauchen wir das für uns Richtige. Die richtigen Menschen, die uns wirklich sehen. Die richtigen Lebensmittel, die uns Energie schenken. Die richtigen Schlafgewohnheiten, damit wir ausgeruht sind. Die richtige Bewegung, um uns gesund zu fühlen. Dann fühlen wir uns reich.

 

Von Herzen,

Sigrid 

 

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Bild von Pexels auf Pixabay

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Zdenka - Ena Free (Donnerstag, 30 Mai 2024 13:15)

    Danke liebste Sigrid, für deine offenen, ehrlichen und so treffenden Worte ...
    Ich verstehe und kann nachvollziehen alles was du beschreibst und bin so dankbar dass es dich gibt ... Die Mutmacherin im Punkto Ehrlichkeit mit sich selbst ... Oh liebe Frauen das ist für mich der große Mut !!! ... Da schneide ich mir ein Scheibchen ab ... In tiefe Dankbarkeit ... ❤️

  • #2

    Sigrid (Donnerstag, 30 Mai 2024 15:18)

    Liebste Ena!
    Danke für deine Worte! Es tut mir gut zu wissen, dass sie auf fruchtbaren Seelenboden fallen. ����☀️

  • #3

    bettina stephanie sohler (Donnerstag, 30 Mai 2024 16:21)

    Danke Sigrid.
    Für deine tiefe Offenheit, deine Liebe und Verbundenheit.

  • #4

    Sigrid (Mittwoch, 12 Juni 2024 13:40)

    Liebe Bettina!
    Danke für deine Präsenz und dein Sein.